Hinweis:
Die nachfolgenden SIA-Normen-Erläuterungen gelten nur für den Fall, dass die Parteien die Norm im Werkvertrag rechtsgültig übernommen haben!
Vgl. hiezu Normen-Übernahme (hier: SIA-Norm 118)
Anzeigepflicht
- Definition
- Anzeige = Erklärung, die auf Initiative des Unternehmers erfolgt
- Grundlage
- 25 SIA-Norm 118
- OR 365 Abs. 3
- Grundsatz
- Anzeige- und Abmahnungspflicht = Ausfluss der allgemeinen Sorgfaltspflicht
- Funktion
- Anzeige bezweckt die Bewusstseinsbildung beim Bauherrn
- Prüfungspflicht als Ausgangslage der Anzeigepflicht (Art. 25 Abs. 3)
- Gegenstand der Prüfung
- Pläne
- Submissionspläne (Art. 7 Abs. 2 Ziffer 4 SIA-Norm 118)
- Vertragspläne (vgl. Art. 21 Abs. 1 Ziffer 4 SIA-Norm 118)
- Ausführungspläne (Art. 100 SIA-Norm 118)
- Baugrund (Art. 5 Abs. 2 SIA-Norm 118)
- Werkstoff (Art. 136 Abs. 3 SIA-Norm 118)
- Pläne
- Vertrauensschutz
- Unternehmer darf hinsichtlich Ausführungsunterlagen vertrauen auf
- Richtigkeit
- Vollständigkeit
- Widerspruchsfreiheit
- Verlässlichkeit ohne Nachprüfung im Falle des fachkundigen Bauherrns oder der Vertretung durch eine Bauleitung
- Unternehmer hat – ohne anderslautende Abrede – keine Untersuchen folgender Art zu machen
- Technisch anspruchsvolle Untersuchung
- Komplizierte Untersuchungen
- Kostspielige Untersuchungen
- Keine im Verhältnis zu Werklohn oder Bauzeit unverhältnismässige Untersuchungen
- Prüfungspflicht
- nicht fachkundiger Bauherr ohne Bauleitung
- Feststellung von Mängeln bzw. Unstimmigkeiten (Fehler, Widersprüche, Lücken etc.) oder Feststellungsmöglichkeit bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit
- Grundsatz: > Anzeige- bzw. Abmahnungspflicht
- Vorvertragsstadium
- Grad der Aufmerksamkeit reduziert
- Eigenwesentlichkeit wegen Kostenkalkulation bzw. Vergütungsfestsetzung
- Nachvertragsstadium
- Bei Bestehen einer „Prüfungspflicht“ kann die Aufnahme der Prüfung mit Baubeginn, frühestens aber mit der Werkvertragsunterzeichnung, erwartet werden
- Unter Umständen Erwartung eines höheren Aufmerksamkeitsgrades
- > Verletzung der Anzeige- bzw. Abmahnungspflicht siehe unten
- Vorvertragsstadium
- Grundsatz: > Anzeige- bzw. Abmahnungspflicht
- Unternehmer darf hinsichtlich Ausführungsunterlagen vertrauen auf
- Gegenstand der Prüfung
- Gegenstand der Anzeige (Art. 25 Abs. 1)
- Anzeige auf beliebige Verhältnisse, die folgende Werkvertragsaspekte gefährden:
- die gehörige Werkausführung oder
- die rechtzeitige Werkausführung
- Gefährdung der korrekten Vertragserfüllung
- Ausschliesslich Verhältnisse der Gefährdung einer gehörigen oder rechtzeitigen Werkausführung gemäss Art. 25 Abs. 1
- Keine über die gesetzliche Aufklärungspflicht von OR 365 Abs. 3 hinausgehende generelle Anzeigepflicht des Unternehmers, die im Unterlassungsfall Verwirkungsfolgen zeitigen würde
- Also:
- Keine generelle Anzeigepflicht
- Keine Verschärfung
- Eine Bauherren-Weisung ist für die Erklärungsabgabe nicht Voraussetzung
- Vorsichtsmassnahme
- Lieber einmal zu viel als zu wenig anzeigen oder abmahnen
- Anzeigeerstatter (Abmahnender)
- Unternehmer
- Adressaten der Anzeige (oder Abmahnung)
- Bauherr und / oder Bauleitung
- Persönliche Anzeige an den Bauherrn ist nur dann angebracht, wenn sich Anzeige gegen ein unzweckmässiges Verhalten der Bauleitung richtet oder die Bauleitung nicht oder falsch reagiert (BGE 4C.194/2005)
- Anzeige auf beliebige Verhältnisse, die folgende Werkvertragsaspekte gefährden:
- Keine Anzeigepflichten
- Keine Anzeigepflicht aufgrund dieser Norm für Ansprüche auf Mehrvergütung
- zB bei Bestellungsänderung (Art. 84 ff. SIA-Norm 118)
- Bestellungsänderung (Art. 84 ff. SIA-Norm 118)
- BGE 4C.16/2006, BGE 4C.35/2001
- Beachte aber die Empfehlung von Art. 87 Abs. 1 SIA-Norm 118 zur vorgängigen
- Leistungsumschreibung
- Einheitspreis-Vereinbarung
- Werkvertragsklauseln mit solchen bzw. ergänzenden Anzeigepflichten bleiben vorbehalten
- zB bei Bestellungsänderung (Art. 84 ff. SIA-Norm 118)
- Keine Anzeigepflicht aufgrund dieser Norm für Ansprüche auf Mehrvergütung
- Rechtsnatur der Erklärung
- Empfangsbedürftige Erklärung
- Form (Art. 25 Abs. 2)
- Soll-Form
- Schriftlichkeit
- Ersatzform
- Mündliche Anzeige schriftlich protokolliert
- Soll-Form
- Zeitpunkt
- unverzüglich, sofort, ohne Verzögerung
- Verspätung
- Keine Verspätungsfolgen, wenn die anzeige am Geschehensverlauf nichts geändert hätte
- Die Beweislast für eine derartige Exkulpation trägt der Unternehmer
- Verletzung der Anzeigepflicht
- Verletzung der Anzeigepflicht (bzw. der Abmahnungspflicht) kann im konkreten Fall zu einem Risikotransfer an den Unternehmer führen
- Den Unternehmer treffen
- Gewährleistungspflicht
- Exkulpationslosigkeit, dass die Mangelsache seinen Verantwortungsbereich verlassen habe
- Verwirkung Vergütungsanspruch
- Schadenersatzpflicht bezüglich Anzeigeunterlassungsfolgen (Schaden, der bei (rechtzeitiger) Aufklärung nicht oder kleiner ausgefallen wäre)
Abmahnungspflicht
- Definition
- Abmahnung = Erklärung des Unternehmers, die als Reaktion auf eine Weisung des Bauherrn oder dessen Bauleitung erfolgt
- Grundsatz (Art. 25 Abs. 3)
- Abmahnung einer fehlerhaften Weisung von nicht fachkundiger Bauherrschaft oder Bauleitung
- Funktion
- Haftungsbefreiung
- Haftungsbefreiung des Unternehmers auf korrekte Abmahnung hin
- Haftungsbefreiung des Unternehmers auch ohne Abmahnung bei sachverständig erteilter Weisung
- Keine Haftungsbefreiung (unabhängig einer Bauherren-Fachkunde oder Bauleitervertretung), v.a. wenn es um eine inakzeptable Gefährdung Dritter geht (Verstoss gegen Sicherheitsvorschriften)
- Unternehmer erkennt Fehlerhaftigkeit der Weisung
- Unternehmer hätte die Fehlerhaftigkeit der Weisung müssen oder dürfen
- Haftungsbefreiung
- Gegenstand
- Fehlerhafte Weisung des Bauherrn oder der Bauleitung
- Die Gewissheit der Fehlerhaftigkeit wird nicht gefordert
- Die Fehlerhaftigkeit bedeutet, dass die Weisung zu einem Werkmangel im Sinne von Art. 166 SIA-Norm 118 führt
- Widerrechtliche Weisungen
- Verstoss gegen die Regeln der Baukunde
- Verstoss gegen Sicherheitsvorschriften
- Fehlerhafte Weisung des Bauherrn oder der Bauleitung
- Weigerungsrecht des Unternehmer
- bei Verstoss gegen die Regeln der Baukunde oder Sicherheitsvorschriften
- StGB 229 und BGE 90 IV 246
- Form (Art. 25 Abs. 2)
- Soll-Form
- Schriftlichkeit
- Ersatzform
- Mündliche Anzeige schriftlich protokolliert
- Soll-Form
- Zeitpunkt
- unverzüglich, sofort, ohne Verzögerung
- Verspätung
- Keine Verspätungsfolgen, wenn die anzeige am Geschehensverlauf nichts geändert hätte
- Die Beweislast für eine derartige Exkulpation trägt der Unternehmer
-
- Analoge Anwendung der Anzeigepflicht-Regeln (siehe oben) auf die Abmahnungspflicht
Normen-Verweisung (Art. 25 Abs. 4)
- Wirkung
- Liste der Anzeige- und Abmahnungspflichten hat nicht abschliessend und soll nur Beispielcharakter haben
- Die Liste
- Anzeige- und Abmahnungspflichten sind in folgenden Normen vorgesehen:
- 30 Abs. 4 und 5 SIA-Norm 118 (Nebenunternehmer-Information via Bauleitung und Anzeigepflicht bei Nebenunternehmer-Verzögerungen oder –Mängeln, sofern von Einfluss auf eigene Arbeit)
- 56 Abs. 3 SIA-Norm 118 (Anzeigepflicht bei voraussichtlicher Gesamtkostenüberschreitung beim Richtpreisvertrag an den Bauherrn)
- 96 Abs. 1 SIA-Norm 118 (Anzeigepflicht bei Ausführungsverzögerung)
- 110 SIA-Norm 118 (Anzeige aus Sorgfaltspflicht des Unternehmers)
- 127 Abs. 2 SIA-Norm 118 (Abmahnung bei Bauherren- oder Bauleitungs-Weisung
- 136 Abs. 2 und 3 SIA-Norm 118 (Abmahnung bei Fabrikate-Nichteignung + Abmahnung von Qualitätsmängeln bei Bauherren-Stofflieferungen)
- Anzeige- und Abmahnungspflichten sind in folgenden Normen vorgesehen:
- Vergessen?
- Keine Erwähnung, aber in Art. 59 Abs. 3 erwähnt
- Anzeigepflicht bei der Geltendmachung ausserordentlicher Verhältnisse (OR 373 Abs. 2)
- Keine Erwähnung, aber in Art. 59 Abs. 3 erwähnt
Judikatur
- Nichtanmeldung von Mehrvergütungsansprüchen durch den Unternehmer, so verletzt er keine Anzeigepflichten und verwirkt dadurch auch keine Ansprüche
- BGE 4C.16/2006
- BGE 4C.35/2001